Umbrüche haben immer zwei Seiten: Sie werden von bestehenden Anbietern im Markt als Bedrohung und Herausforderungen betrachtet, für branchenfremde Unternehmer bieten sie jedoch eine Chance mit neuen Modellen und Innovationen einzusteigen und ein gutes Geschäft zu machen. Hier sind 4 Branchen die in naher Zukunft gewaltige Veränderungen erfahren werden (und teilweise bereits erfuhren).
Bankwesen
Das klassische Bankwesen hat die Digitale Transformation bislang regelrecht verschlafen. Zwar ist das e-Banking mittlerweile flächendeckend eingeführt, aber darüber hinaus gibt es kaum Institute in Europa die sich wirklich auf ihre Kunden ausrichten. Überall herrscht Bürokratie, eine Spesen- und Gebührenkultur und leider auch ein Hauch Überheblichkeit. Wer kennt es nicht? Mitarbeiter xy einer großen Bank, darf mir, selbst belanglose, Informationen nicht per E-Mail übermitteln. Stattdessen kommen sie dann per Post oder Fax (wird angeboten, hab ich aber natürlich keinen). Das ist nicht nur sehr mühsam sondern auch nicht sehr sicher. Fragt man nach oder kritisiert man, geht es meist nicht lange bis einem der Bankmitarbeiter auf die strengen Regularien verweist.
Das ist, und ich schließe die gesetzlichen Regularien da bewusst mit ein, eine ganz plumpe Ausrede. Natürlich muss man Gesetze einhalten und Vorgaben erfüllen. Aber man sollte es so tun, dass man dem Kunden so wenig wie möglich Aufwand bereitet. Und man sollte dafür kämpfen und sich so verhalten, dass eine Marktregulierung reduziert wird. Das ist nicht geschehen – im Gegenteil; kaum eine Branche hat sich in den letzten 10 Jahren alleine durch ihr Verhalten derart ins Off manöveriert wie das Bankwesen. Mittlerweile hat das selbst auf das Image der Bankangestellten durchgeschlagen.
Dass es auch anders gehen kann zeigt uns zum Beispiel gerade Number26. Dort kann ich ohne irgendwelche Mühen innert 15 Minuten ein Konto eröffnen. Auch als Schweizer. Number26 erklärt sich so: „NUMBER26 ist Banking, wie es heute sein sollte — schnell, klar, sicher und komplett kostenlos.“ Dieses Versprechen wurde bis jetzt eingelöst.
Wir brauchen ganz dringend mehr solche Banken. Banken welche die neuen Technologien nutzen um uns Kunden den Umgang mit Geld zu vereinfachen. Das sind nicht nur ein paar Apps und coole Sprüche, sondern ein Kulturwandel. Genau diesen benötigen wir (ok, und die Apps).
Versicherungswirtschaft
Versicherungen sind ein gutes Geschäft wenn möglichst viele Parameter stabil bleiben. Ein Risiko wird kalkulierbar. Das ist im Kern wovon ein Versicherer lebt. Die technologischen Fortschritte fügen jedoch mehr und mehr neue, bislang unbekannte Parameter hinzu. Es reicht nicht mehr ein Set von Indikatoren statistisch auszuwerten. Um innovative und lukrative Versicherungsprodukte anbieten zu können muss selbständig geforscht werden. Was heute als Big-Data bekannt ist, sollte eigentlich der Startpunkt jeder Versicherungsgesellschaft sein. Tatsächlich haben aber verschiedene, gerade auch große Unternehmen, gravierenden Nachholbedarf.
Zudem, und das ist ein großes Problem, weisen viele Versicherungsverträge eine viel zu hohe Laufzeit auf. Die technologischen Neuerungen werden unsere Gesellschaft grundlegend umbauen in den nächsten Jahren. Die Kosten werden sich verändern, die Demografie sowieso und mit ihr die Risiken. Da würde ich nicht an langfristige Verträge gebunden sein wollen. Genau das ist aber der Fall.
Man bedenke nur die Rentenverträge; auf der einen Seite wird es zunehmend schwierig eine vereinbarte Rendite zu erwirtschaften, auf der anderen Seite erhöht sich die Lebenserwartung rasant. Es kann und wird leider nicht gut ausgehen.
Energiewirtschaft
Als ich vor ein paar Wochen mit einem leitenden Angestellten eines Energieanbieters in der Schweiz sprach, hatte der von Tesla’s Power Wall keine Ahnung. Als ich ein bisschen erklärte, tat er das Ganze schnell als Spinnerei ab – es gäbe noch so viele technischen Hürden. Leider ist das ein Verhalten, dass ich öfters erlebe im Energiesektor. So oft, dass ich mittlerweile denke es gehört ein wenig zu deren Kultur. Neue Technologien scheinen in dieser Branche erstmal nicht existent zu sein.
Die Situation ist insofern paradox, als dass sich in meiner unmittelbaren (sonnenverwöhnten) Nachbarschaft schon 3 Anwohner Gedanken machen, die günstige Tesla Powerwall zu bestellen. Nicht etwa primär um sie über Solarpanelen zu laden. Nein, diese Leute wollen den günstigen Nachtstrom auch tagsüber nutzen. Die Power Wall ist laut Tesla Ende 2015 in der Schweiz zu haben. Das heißt also im 1 Quartal 2016 werden die ersten Nutzer vom Netz meines Gesprächspartners ausschliesslich Nachtenergie ziehen. Anstatt sich jetzt mit der neuen Technologie auseinander zu setzen und zu versuchen ein Business daraus zu machen, wird der Energieversorger im nächsten Jahr von Bedrohung des Geschäfts sprechen und mit politischen Mitteln versuchen, die Nutzung einzudämmen. Das wird ihm vielleicht kurzfristig sogar gelingen aber bereits mittelfristig wird es sich einfach durchsetzen. Anbieter ist dann halt nicht mehr er sondern ein Startup.
Was die sich im Moment stark verbessernde Batterietechnologie im Allgemeinen und Tesla im Speziellen für unsere Gesellschaft bedeutet ist noch gar nicht abzusehen. Denn Batterietechnologie ist ein Treiber für so viele andere Technologien. Sie hat ähnlich grosse Bedeutung wie die Breitbandtechnologie (kabel- und kabelungebunden) für das Internet hatte. Als ein gewisser Datendurchsatz erreicht wurde, sind die Möglichkeiten und der Markt explodiert.
Dasselbe erwarte ich auch für die Batterietechnologie. Sobald Batterien in der Lage sind, bei gleicher Größe und Kosten, das Doppelte an Energie zu liefern, wird das zum Beispiel auf den Automarkt bereits gravierende Auswirkungen haben. Denken Sie nur an all bereits angedachten Innovationen die dann möglich wären.
Sie werden nun sagen, eine Verdoppelung der Kapazität ist ja ein Riesen-Effort und das wird dauern. Wer sich aber bewusst ist, dass der technologische Fortschritt exponentiell voranschreitet muss einsehen, dass wir nicht mehr allzu weit weg davon sind. In 5 Jahren sieht die Ausgangslage komplett anders aus.
Medizinalbranche
Die technologischen Fortschritte auf dem medizinischen Sektor sind gewaltig. Aber sie passieren momentan noch eher hinter geschlossenen Türen. Der grundlegende Paradigmenwechsel besteht darin, dass sich die Forschung von einem Try & Error Ansatz hin zu einer kalkulierenden und modellgesteuerten Methodik verlagert. Die Entschlüsselung des Genoms und die weiterführende, darauf basierende Arbeit, ermöglicht es bereits jetzt, Körperteile zu züchten und einzusetzen.
So gibt es zum Beispiel bereits heute über 10 Menschen weltweit denen mit einer aus Stammzellen gezüchteten Luftröhre das Leben gerettet wurde. Und in den letzten 5 Jahren wurden mehr vielversprechende Wirkstoffe entwickelt als je zuvor.
Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis die Medizin den Dornröschenschlaf des Schätzens, Ausprobierens, des Scheiterns und der brachialen Methoden beendet und zu einer klaren und verlässlichen Methodik aufsteigt, die unser aller Leben besser machen wird. Ich weiß das mag undankbar und krass tönen, aber es ist schon so, dass Ärzte in der Mehrheit der schweren Krankheitsfällen leider nur eine sehr begrenzte Ahnung davon haben was beim Patienten wirklich vor sich geht. Eine Chemotherapie zum Beispiel ist ja keine ausgeklügelte Therapieform, sondern eher so etwas wie der Versuch, Ameisen die auf einem heiklen Kachelboden gehen mit einem Baseballschläger zu erschlagen. Meine persönliche Erfahrung ist die, dass gute Ärzte das zugeben, auch wenn es hoffnungslos ist. Wir stehen also auch hier vor einem Kulturwandel.
Und jetzt?
Ich denke es tun sich in allen 4 erwähnten Branchen enorme Möglichkeiten für Unternehmer auf. Die bisherigen Marktplayer sind in ihren Gewohnheiten festgefahren und erkennen diese Möglichkeiten meist nicht. Wäre ich in solche Firmen investiert, ich würde diese Investitionen zurückzufahren und stattdessen in Unternehmen anlegen, die sich aufmachen diese Märkte mit neuer Technologie zu erobern.
Das ist zwar auf den ersten Blick risikoreich, mittelfristig im Vergleich aber lohnenswert. Denn bei den traditionellen Playern wird es bald zu weiteren Kursverlusten kommen. Setzten Sie also zur richtigen Zeit aufs richtige Pferd.
[Der Artikel erschien ursprünglich auf alainveuve.ch]