Das Internet bedroht viele Geschäftsmodelle, auch das von deutschen Mittelständlern. Wie können sie den digitalen Wandel überleben?
von Maren Martschenko
Das Internet bedroht viele Geschäftsmodelle, auch das von deutschen Mittelständlern. Wie können sie den digitalen Wandel überleben?
Thomas Koch beklagt in seiner letzten Kolumne „Werbesprech“ das langsame Sterben der Marken. Er sieht Persil oder Bärenmarke als bedrohte Arten – und hat auch schon einen Verantwortlichen ausgemacht: Das Internet.
Es schwemme neue Marken auf den Markt und verdränge die alten. Es habe die Anzahl der Kommunikationskanäle vervielfacht, auf denen die Kernbotschaft der Marken übermittelt werden muss. Die Schnelllebigkeit und die damit einhergehende Flüchtigkeit nage am Vertrauen und damit an der Loyalität der Kunden – und die sei das Fundament für Markenerfolg.Soweit, so richtig. Doch der Schaden für die deutschen Wirtschaft ist damit völlig unzureichend beschrieben. Denn Kochs Beispiele betreffen nur einen Bruchteil der Unternehmen. Wenn beispielsweise eine der 400 Marken von Unilever aus dem Portfolio genommen wird, hat das auf die deutsche Wirtschaft ungefähr so viel Einfluss wie das sprichwörtliche Umfallen des Sacks Reis in China. In solchen Großkonzernen sind Markenverwalter am Werk, die Marken verschwinden lassen oder wiederbeleben – und zwar nach rechnerischem Kalkül. Dann wird aus Raider eben Twix, ansonsten ändert sich nix.
Das langsame Sterben der MarkenNeben der klassischen Werbung müssen sich Unternehmen um immer mehr Disziplinen kümmern. Dem Marketing entgleitet die Markenführung – beim Endverbraucher kommt die Marke nicht mehr an.
Quelle: Fotolia
Vor allem aber tickt die Mehrheit der deutschen Unternehmen anders. Über 99 Prozent haben weniger als 500 Mitarbeiter. Sie haben keine Ansammlung von Produktmarken, sondern sind Unternehmensmarken. Hinter fast jeder dieser Marken steht die Gründungsgeschichte eines klugen Kopfes oder kreativen Machers, der die Firma aufgebaut hat. Sie sind in der Regel inhabergeführt. Die Menschen, die dort arbeiten, empfinden eine große Verbundenheit zu ihrem Arbeitgeber.Wenn eine solche Marke stirbt, dann ist nicht nur das Unternehmen tot – sondern oft eine ganze Gegend. Loewe ist eines der bekannteren Beispiele, das in letzter Sekunde gerettet wurde. Die meisten kleinen Unternehmen haben diesen Promibonus nicht. Der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, steht kurz vor dem Bandscheibenvorfall – und damit der größte Arbeitgeber und Ausbildungsort Deutschlands.
Mobilisiert Euch!Was also tun? Sollte jeder nun wie der Autovermieter Sixt „ein Heer von rund 50 Mitarbeitern, die alleine für jeden Online-Kanal verantwortlich sind“ rekrutieren? Das ist natürlich ein schlechter Scherz, wenn man nur 50 Mitarbeiter hat.
Die kleinen und mittleren Unternehmen haben auch nicht die finanziellen Ressourcen, um ihre Marke wie vorgeschlagen per „Lead Agency“ ins digitale Zeitalter führen zu lassen. Sie verfügen oft noch nicht einmal über eine klare Strategie.
Kein Plan, kein Geld, keine Zeit – das ist Gift in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung. Eine Zeit, in der viele Kaufentscheidungen schon vor dem ersten Kontakt zwischen Unternehmen und Kunde getroffen werden.
Virtuelles WirbelsäulentrainingFokus auf Kundennutzen
Man braucht eine einzige Botschaft, wie die Welt der Kunden besser wird. Der Verlag Herrmann Schmidt ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Unternehmen in einer totgesagten Branche durch eine klare Positionierung erfolgreich sein kann.
Die Bücher haben genau ein Ziel: Den Alltag in Grafikdesign, Marketingkommunikation und Werbung leichter und schöner zu gestalten. Sie werden gemacht, um Kreativen Nutzen und Freude zu bringen. Das ist spürbar, wenn man die Bücher in die Hand nimmt, wenn man auf dem Twitterkanal in 140 Zeichen kommuniziert. Und natürlich dann, wenn andere Menschen über das Verlagshaus und seine beiden Inhaber sprechen. Unisono. So geht Markenführung im Mittelstand.
Werte erinnern
Der viel gepriesene Bauchladen ist Hauptverursacher für die eingeschränkte Bewegungsfreiheit auf dem Markt. So machte es „Schnittchen“. Alles fing mit einem Ladengeschäft an, in dem die Gründerin Silke Türck Schnitte mit passenden Stoffen und Nähaccessoires verkaufte. Bald stellte sie fest, dass die Käufer zahlreicher im Internet anzutreffen waren und richtete einen Onlineshop ein. Der Vertrieb von den Nähaccessoires von Fremdanbietern kostete jedoch enorm viel Zeit im Einkauf und Versand. Sie besann sich auf ihre Kernkompetenz und bietet nur noch eigene Schnittmuster zum Download an. Nach der Devise „keep it simple“.
Mitarbeiter einbeziehenSie sind die heimlichen Helden der Markenarbeit. Sina Trinkwalder, Gründerin und Inhaberin des Textilunternehmens manomama gelingt das vorbildlich. Ihre „Ladies“, wie sie ihre Mitarbeiterinnen wertschätzend nennt, stehen Modell für die Kleidungsstücke im Shop, gerade weil sie keine Modelmaße haben.
Das Internet hat das Informationsbedürfnis und Entscheidungsverhalten der Kunden und ihrer Beeinflusser massiv verändert. Darauf müssen sich Unternehmen einstellen. Verstanden und umgesetzt hat das die Verdener Keks- und Waffelbäckerei Hans Freitag. Das Keksblog wird mit einer persönlichen Note von den Mitarbeitern gepflegt und gibt Einblicke hinter die Kulissen des Unternehmens. Das Unternehmen ging sogar noch einen Schritt weiter und entwickelte ein Produkt, genau zugeschnitten auf die junge internetaffine Zielgruppe: Die Likies. Daumen hoch für diese Marke!Vernetzt denken, vernetzt handeln
Allianzen mit anderen Unternehmen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg sorgen für Stabilität. Wie bei Coffee Circle. Das Startup versteht sich als Mittler zwischen den Produzenten (den Kaffeebauern) und Konsumenten (Kunden). Die Kunde können nachvollziehen, woher der Kaffee genau kommt und was mit ihm entlang seines Weges geschieht. Eine runde Sache.
Wenn es den kleinen und mittelständischen Unternehmen gelingt, diese Schritte umzusetzen, können sie dem Phänomen Internet entspannt entgegenblicken – und das Markensterben verhindern.